*Triggerwarnung Suizid und Essstörung*
Es startete ganz harmlos.
Ein recht eigensinniges, zurückgezogenes Kind wurde eingeschult.
Noch nicht mal 6 Wochen in der ersten Klasse wurden seine Eltern einberufen: „Mit ihrem Kind stimmt was nicht – es sondert sich ab“
Ja dieses Kind war ich.
Von da an gab es allerlei unterschiedliche Aussagen a´la „Du bist nicht okay so“ und ich sollte mich anpassen, mitmachen, den Schein wahren, „mich nicht so anstellen“.
Der Selbsthass entstand
Wenn sowas über Jahre geschieht sucht sich der Körper einen Weg um mit dem emotionalen Stress klarzukommen. Und das war fast immer Essen, Süßigkeiten im Besonderen. Ich habe die Emotionen, mit denen ich nicht umgehen konnte und die auch nicht okay waren in mich gefressen.
So habe ich mir einen Speckgürtel von Scham, Wut Ängsten angefuttert den ich nicht losgeworden bin.
Mit 8 Jahren hatte ich meine erste Abnehmkur mit „pychologischer Betreuung“, die daraus bestand mir ein schlechtes Gewissen einzureden und zu verraten was für Probleme ich denn in meiner Familie hätte.
Ich war sicher, das Gewicht ist an Allem schuld.
Was dann kam kannst du dir sicher vorstellen: Ein Teufelskreis von schlechten Gewissen, Essanfällen, strikten Diäten, Einteilung von guten und schlechten Lebensmitteln, Süßigkeiten um meinen Kummer zu verarbeiten. Bis hin zu Selbstmordgedanken und -versuchen weil der Schmerz kaum erträglich war nie gut genug zu sein.
Das Leben war ein Kampf. Ein Kampf gegen mich und gegen die anderen.

Ich vor 8 Jahren
Wie ich den Selbsthass überwand
Aber neben Abtauchen in Bücherwelten gab es tatsächlich etwas was mich gerettet hat:
Meine Sexualität.
Die Entdeckung, dass mir mein Körper neben all dem Leid auch Lust verschaffen konnte, Orgasmen, Entspannung, Freude, war eine Offenbarung.
Sex war für mich Selbstfindung, ein Genuss, den ich vorher nicht kannte.
Und ich machte tatsächlich die Erfahrung, dass es Menschen gibt, die mit mir lustvoll sein wollten. Denen ich Lust verschaffen konnte. Die mir die Liebe schenkten, die ich so sehnsüchtig gebraucht habe.
Ich fing an, mich sexuell auszuprobieren und habe tolle* und auch schlechte* Erfahrungen gemacht. Das Ganze hatte leider oft eine Schattenseite – ich suchte die Bestätigung, die ich mir nicht geben konnte, im Außen. Nicht gesund, aber es war der erste Schritt.
Ich konnte dann immer häufiger Komplimente annehmen. Ich habe meine eigenen Stärken und (besonders intellektuellen) Fähigkeiten anerkannt. Mein Selbstbewusstsein stieg mit den Jahren und neben dem inneren Kritiker kam eine weitere Stimme: „Ich find dich echt cool so wie du bist“.
Ich hörte auf, ständig alles auf das Gewicht zu schieben. Es fühlte sich an, als ob ich wirklich Verantwortung übernehmen würde.
Ich habe einen 18-Jährigen bei meinem ersten Trip nach Berlin im Grunewald „entjungfert“ nachdem wir uns verlaufen hatten. Es war kalt, ungemütlich und der Sex war kurz und unbefriedigend. Und er hatte sich bis zuletzt geweigert mir seinen Namen zu verraten.
Auf dem ersten Festival meines Lebens in einer eiskalten Nacht lud ich einen Kumpel zum Kuscheln ins Zelt ein – wir hatten total schönen, spontanen Sex der uns ein wenig gewärmt hat – während sein Freund neben uns lag und so getan hat als ob er schlief. Das war ein verpasster Dreier aber die Nacht geht mir trotzdem nicht so schnell aus dem Kopf.
Wo ich heute mit meinem Selbsthass bin
Ein richtiger Durchbruch kam dann mit meiner Coachingausbildung im Jahr 2020 bei der ich das erste Mal ein wirklich tiefes Verständnis für mich bekommen habe.
Ich fing an, mir selbst Komplimente zu geben, mich für die Kleinigkeiten zu feiern und eben nicht alles selbstverständlich annehmen.

Ich heute
Ich habe mir erlaubt, vergangene Gefühle zu verarbeiten. Ich habe die aufgestaute Wut und die ganze Traurigkeit über die verlorenen Jahre und wie man mit mir umgegangen ist gesehen, gespürt und einem Platz in mir gegeben. Ich habe aufgehört, Dinge zu verdrängen, um sie dann mit Süßigkeiten zu vergessen.
Ich kann den Anteilen in mir mit Mitgefühl und Neugier begegnen.
Ich habe gewagt auffallende Kleidung zu tragen, roten Lippenstift.
Ich habe seit zwei Jahren keine Diät mehr gemacht.
Ich versuche in Verbindung zu meinem Körper zu sein. Es gilt, wieder Vertrauen aufzubauen, auf Grenzen und Wünsche zu hören.
Ich habe gelernt, das ich selbst die Quelle meiner Liebe und Lust bin. Das ich nicht die Bestätigung von anderen brauche um mich gut zu fühlen.
Und diese Reise wird nie zu Ende sein. Es gibt Tage da fühle ich mich wie das kleine Mädchen, das sich nirgendwo angenommen fühlt. Und dann gibt es Tage, da berühre ich mit meiner Geschichte und meinen Coachings etwas in anderen Menschen und zeige ihnen den Weg.
Wie du Selbsthass überwinden kannst
Selbsthass geht nicht über Nacht weg. Meist hat sich die Einstellung zu sich und seiner Sexualität über Jahre entwickelt. Coaching und Therapie kann den Prozess beschleunigen aber sei nachsichtig mit dir.
Das größte Geschenk, was du dir selbst geben kannst, ist die Annahme von allem was gerade da ist, den Punkt deiner Reise jetzt zu wertschätzen, deine Vergangenheit, den Schmerz nicht mehr wegschieben, sondern anzunehmen.
Der Weg um Selbsthass zu überwinden ist eine Reise, die konstante Auseinandersetzung mit dir selbst und deiner Umgebung erfordert.
Gehe durch den Zug deines Lebens und irgendwann bist du ganz vorne, bestimmst die Richtung in die es gehen soll.
Habe Verständnis für dich und deine Situation. Deine Erfahrungen haben dich an diesen Punkt geführt und dein Körper macht das was er am besten kann: Dich schützen.
Und aus diesen Samen des Mitgefühls kann echte Selbstliebe wachsen.