Denkst du auch falsch über sexuelle Unlust?
Denn Google weiß es nicht.
Laut Google-Suche bedeutet sexuelle Unlust größtenteils zwei Dinge:
- Es ist ein weibliches Problem
- Es gibt Mittelchen (aka Nahrungsergänzungsmittel) für alles
Männer haben schließlich immer Lust und die Pharmaindustrie weiß sowieso alles besser.
Wir alle wollen guten, lustvollen Sex (und zwar ständig!) und fühlen uns schuldig, wenn wir ihn nicht mehr wollen.
Sexuelle Funktionsstörung*
43 %
bei Frauen
31 %
bei Männern
Gelegentliche sexuelle Lustlosigkeit*
Nach einem Jahr Beziehung
60 %
bei Frauen
33 %
bei Männern
Nach sechs Jahren Beziehung
80 %
bei Frauen
40 %
bei Männern
So sieht die Realität aus. Sexuelle Unlust betrifft den Großteil der Bevölkerung und teilweise doppelt so oft wie Frauen.
Wir wollen die schnelle Lösung gegen Unlust
Eine Pille, Cremes, Parfums, Chili im Essen(!). Sie alle versprechen unsere Lust anzukurbeln. Das neue sexy Outfit oder das neueste, innovativste Sextoy muss doch endlich die Lust ankurbeln, oder?
Meistens nicht. Und dann wird die Schuld auf den Partner geschoben („Er findet mich nicht mehr attraktiv“ oder gar sowas wie „Die hat jemand Anderen“) oder man versinkt selbst in einer Spirale von Selbsthass („Ich bin nicht gut/sexy/jung/schön genug“).
Dabei ist Unlust per se kein unheilvolles Zeichen oder eine Krankheit. Pharmakonzerne profitieren natürlich davon, deswegen lass uns tiefer gehen und die natürlichen Ursachen und Chancen der Unlust entdecken.
Zyklische Unlust
Unser Leben verläuft in Zyklen. Wir haben einen Jahres-, Monats- und Tageszyklus. Viele von uns haben zusätzlich noch den Menstruationszyklus. Und auch wenn wir in der modernen Welt diesen Rhythmus nicht mehr voll leben, (Nachtschichten, gleichmäßige Arbeitszeiten das Jahr über, es wird volle Leistung jeden Tag erwartet) ist er trotzdem in uns verankert.
Wir sind nicht immer auf Hochleistung, wir sind nicht immer auf voller Lust. Wenn man sich die Natur ansieht, ist der Frühling und Sommer die Zeit der größten Lust und Freude. Dort sprießt das Leben, während es sich in der kalten Zeit in den Boden zurückzieht.
Und das Gleiche gilt für die Lust und Partnerschaften, in denen es ganz natürliche Hochs (Aufblühen) und Tiefs (Zurückziehen) gibt, die von einigen Tagen bis hin zu einigen Monaten andauern können.
Das ist vollkommen normal.
Oft ist diese phasenweise Unlust notwendig, um sich wieder klarer zu werden was man will, sich um eigene Bedürfnisse zu kümmern oder weil man gerade einen anderen Fokus hat.
Hast du das Gefühl, ständig leisten, sprich ständig lustvoll sein zu müssen?
Versuchst du ständig gegen deinen natürlichen Rhythmus zu arbeiten?
Gesundheitliche Ursachen
Es gibt eine ganze Reihe an Krankheiten, die direkt oder indirekt Einfluss auf die Libido haben wie eine Schilddrüsenunterfunktion, Diabetes, Krebs, PCO, Nierenschwäche.
Auch bei anderen Krankheiten oder Infektionen sinkt das Bedürfnis nach Sex, weil der Körper in einem Heilungsprozess ist und dort seine größte Energie reinsteckt.
Sowohl bei Männern als auch bei Frauen treten im Laufe des Lebens hormonelle Veränderungen auf, der Östrogenspiegel und Testosteronspiegel sinkt.
Auch Medikamente, besonders Antidepressiva, Blutdrucksenker und Schmerzmittel können ebenso eine Ursache dafür sein. Genauso wie die Anti-Baby Pille, die ironischerweise die Lust bei vielen Frauen senkt.
Daneben gibt es auch psychische Erkrankungen wie Depressionen, die verständlicherweise einen großen Einfluss auf die Libido haben.
Es ist also wichtig, gesundheitliche Ursachen abzuklären, gerade wenn Unlust länger andauert oder total untypisch für dich ist.
Kannst du deinen Arzt nach einem anderen Medikament fragen, welches besser für deine Libido ist? Kommt für dich ein anderes Verhütungsmittel als die Pille in Frage?
Kannst du deinem Körper gerade die Heilungszeit geben, die er braucht?
Unlust durch Glaubenssätze
Unsere Glaubenssätze sitzen tief. Auch wenn wir nach außen so tun, als ob wir nicht mehr an alte Glaubenssätze und Vorurteile glauben sind sie doch noch häufig unbewusst gespeichert.
- Sex ist dreckig
- gute Frauen haben keine Kinks
- Squirting/Sperma ist eklig
- Mütter sollen nicht sexy sein
- BDSM ist frauenfeindlich
- Männer wollen nur das Eine
- Frauen wollen eigentlich keinen Sex
- Ich bin als Mann immer der „Täter“
Das beste Gegenmittel? Neugierig sein.
Frage dich ehrlich, warum du keine Lust auf Sex hast, welche Meinungen du darüber gehört oder gelesen hast und lerne in deinen Körper zu hören.
Ist es wirklich deine Wahrheit? Was macht das mit dir, wenn du diese Wahrheit glaubst?
Was würde sich ändern, wenn du den Glaubenssatz umdrehst?
Sex ist zweckgebunden und macht keine Lust
Was ist, wenn ein Paar nur noch Sex hat, um die fruchtbaren Tage der Frau auszunutzen damit sie ein Kind empfangen können?
Der Sex wird zu einer Pflichterfüllung.
Oder wenn Menschen nur noch Sex haben, um die Beziehung aufrecht zu erhalten, weil „es eben dazu gehört“ oder es sogar als Druckmittel einsetzen („Ich habe erst wieder Sex, wenn XY“ oder „Ich verlasse dich, wenn wir nicht so oft Sex haben“). Das heißt nicht, dass wir unsere sexuellen Bedürfnisse dem anderen nicht mitteilen sollen, sondern dass wir Sex nicht an Bedingungen knüpfen.
Denn wenn wir mal ganz ehrlich sind: Viele von uns haben gelernt, nur durch bestimmte Taten und Bedingungen überhaupt gemocht und geliebt zu werden. Wollen wir Sex auch auf diese Weise erleben?
Wofür „benutzt“ du Sex? Wie kannst du Sex eine neue oder erweiterte Bedeutung zuteilen?
Unlust durch sexuelle Abtörner & Langeweile
Unlust kann schlicht die Langeweile beim Sex sein. Es ist immer das gleiche, eintönige Schema, es gibt keine Abwechslung mehr.
Der Sex törnt dich nicht an, weil es nicht der Sex ist, den du willst oder dich zu sehr der Sexualität deines Partners angepasst hast und du regelmäßig deine Bedürfnisse hintenanstellst.
Auch ganz simple Sachen wie eine unaufgeräumte Wohnung, ein unangenehmer (Körper-)Geruch und Sorgen über Finanzen drosseln die Lust.
Und der häufigste Grund für Unlust ist immer noch Stress. Das kann Stress von der Arbeit sein, Stress in der Beziehung oder der Erziehung der Kinder oder ein ständiges Bedürfnis nach „beschäftigt“ (z.B. Freunde treffen, Fernsehen) sein.
Somit ist der Körper immer in „Alarmbereitschaft“ was den Parasympathikus aktiviert, der Sex als Priorität definitiv unterordnet.
Kreisen Gedanken ständig um gewisse Themen und wie kannst du besser abschalten?
Wo kannst du Stress reduzieren? Wie wichtig ist dir Sex?
Wie entsteht sexuelle Lust bei dir?
Jetzt weißt du, wie Unlust wirklich entstehen kann, doch weißt du auch wie Lust entsteht? Häufig hat Lust was mit dem Kontext zu tun. Wo für die eine Person die Öffentlichkeit ein Hemmer ist, ist sie für andere ein Lustbeschleuniger. Wir sind sehr individuell und haben in unterschiedlichen Situationen und mit verschiedenen Menschen mehr oder weniger Lust, schau dir dazu auch unbedingt eines meiner Lieblingsbücher „Come as you are“ von Emily Nagoski (Affiliate-Link) an.
Weißt du, was dich antörnt, was dir richtig Lust verschafft? Und wie kannst du dafür die (räumlichen, physischen) Voraussetzungen dafür schaffen? Räumst du Lust den Fokus ein, den er verdient? Oder hoffst du, es passiert von allein?
Beispiel: Ich mag schönes, warmes Licht, um in Stimmung zu kommen. Daher achte ich auf Dinge wie warme LEDs und genug Kerzen in meinem Zuhause.
Wir wollen Unlust immer bekämpfen und eine schnelle Lösung haben. Doch oft ist die beste Lösung, einfach anzunehmen was gerade ist.