Jungfrau.
Man hatte sie ehrlich gefragt, ob sie noch Jungfrau sei.
Mal abgesehen davon, dass das Wort Jungfrau und die Frage an sich schon sehr zweifelhaft sind.
Wie kam jemand darauf, dass sie jungfräulich wäre, nur weil sie mit Frauen schläft und nicht mit Männern?
Ist das etwa nicht gleichwertig genug?
Die Frage drängt sich auf: Was verstehen Menschen denn unter Sex?
Wir leben in einer Gesellschaft, in der man bestimmte Vorstellungen von Sex hat. Und das umfasst leider häufig nur die heteronormative Vorstellung von „Penis in Vagina“.
Warum die geläufige Definition von Sex ein Problem ist
Indem wir glauben was wir unter Sex verstehen (Penetration) ist der eigene Blickwinkel eingeschränkt. Es gibt dann nur die Vorstellung von Sex oder kein Sex und keine Abstufungen dazwischen.
Das ist wahrscheinlich der häufigste Grund, warum wir Nein zum Sex sagen: Weil wir eben nicht immer das volle Programm wollen.
Auch Missverständnisse sind häufig. Es ist doch klar, was mit Sex gemeint ist. Besonders in Beziehungen und Dating kann das für ein hohes Konfliktpotenzial sorgen. Wenn Sex außerhalb der monogamen Beziehung als Fremdgehen gilt, wo fängt dann Fremdgehen wirklich an? Welche Handlung(en) definiert das?
Und auch im medizinischen Kontext ist die Frage (z.B. bei Tests zu sexuellen Krankheiten) nach dem letzten Sex nicht klar. Die Aufklärung in der Schule geht auch nicht auf die Frage ein, wann man denn sein erstes Mal hat und was denn als sexuelle Handlung gilt.
Es ist diskriminierend. Wie sollen Menschen Sex definieren die nicht heterosexuell sind? Und was ist mit Menschen die keine „Norm“-Genitalien* haben oder die Penetration aus gesundheitlichen oder psychischen Gründen nicht haben können?
*Anmerkung: Alle Genitalien sind normal, solange sie keine Schmerzen bereiten.
Was bedeutet also Sex?
In einer Studie wurden 486 Menschen (204 Männer, 282 Frauen) gefragt, was sie unter Sex verstehen würden. Hier sind ein paar von den Ergebnissen:
vaginale Penetration mit Penis*
*ohne Ejakulation: nur noch 89%
anale Penetration mit Penis
Oralsex (empfangen oder geben)
Wenn 29% der Menschen Oralsex nicht als Sex sehen, gilt das auch für den Partner bzw. beim Fremdgehen? Augenscheinlich nicht, denn die Teilnehmer einer anderen Studie zum sexuellen Verhalten unter LGB-Leuten (Lesbian-Gay-Bisexual) sahen viel mehr Aktiviäten als Sex an wenn sie das Verhalten ihres Partners anstatt ihres eigenen beschreiben sollten. Das zum Thema Missverständnis.
Eine Definition von Sex ist zu wenig. Deswegen habe ich sechs Bedeutungen für Sex von der dich die ein oder andere sicher überraschen wird.
Sex ist Penetration
Die klassische Vorstellung von Sex. Hier geht es um penetrative Techniken mit Finger, Hand, Zunge, Penis, Gegenständen oder Sextoys.
Es kann sich um anale, vaginale und orale Penetration handeln. Oder auch kreativ zwischen den Brüsten, Achseln oder Schenkeln.
Es gibt also hier schon eine große Bandbreite was man wie womit penetriert.
Sex ist gemeinsame Lust & Fantasie
Das gemeinsame Erleben der Lust (auch ganz ohne Anfassen) ist Sex.
Man kann real oder virtuell (z.B. Camsex, Telefonsex) miteinander masturbieren und dabei die Geräusche und Anblicke des anderen als Reiz nehmen.
Gerade bei Telefonsex und Sexchats (auch Sexting genannt) kann man der Fantasie freien Lauf lassen, sich in andere Rollen versetzen und komplett unrealistische Szenarien erfinden. Stichwort Vampirgeschichten.
Auch bei Rollenspielen und BDSM geht es nicht zwangsläufig um Penetration, sondern um den Spielcharakter. Man kann Verantwortung abgeben oder übernehmen, jemanden mit Seilen führen oder führen lassen und die Verbindung aus Schmerz und Erotik fühlen.
Und nicht zuletzt das erotische Tanzen oder nacktes Kuscheln bei dem viel Körpernähe zu einem erotischen Knistern führen kann.
Sex ist Stimulation von erogenen Zonen
Sex kann die direkte Stimulation der Genitalien sein wie Oralsex, Reiben der Klitoris, Handjob am Penis, eine Intimmassage mit Öl oder auch das Aneinanderreiben der Genitalien.
Das kann auch das Berühren, Küssen und Massieren von sensitiven Bereichen sein wie z.B. Ohrläppchen, Brüste oder Nacken.
Dazu zählt auch die Masturbation bzw. Selbstbefriedigung. Sie ist die Verbindung zum eigenen Körper, zur eigenen Lust und Fantasien.
Sex ist Erleben & Heilung
Beim Sex können alle Emotionen hochkommen, weil wir aus dem Kopf in den Körper kommen, weil wir uns öffnen, weil wir intim mit jemanden sind. Weil wir spüren statt Denken.
Und durch diese Emotionen durchzugehen kann wahrlich heilsam sein.
Mit Menschen Sex zu haben, die uns gut tun, die uns neue Wege zeigen, kann eine Bereicherung und gleichzeitig auch Heilung von vergangenen Wunden sein. Und das nicht nur im psychischen Sinne. Zahlreiche Studien belegen das Sex gut für unser Immunsystem, weniger Schmerzen und Langlebigkeit ist.
Wir können Orgasmen beim Sex erleben und tauchen damit in die Ekstase ein, zu der jeder Körper fähig ist. Wir erleben tiefes Fallenlassen und ein Gefühl von eins mit dem Körper.
Je größer die Lust wird, desto mehr kann man abtauchen in das Unterbewusstsein, kommt in seine animalische Kraft und lässt sich treiben von dem Moment.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Sex Meditation und Achtsamkeit pur ist!
Sex ist Lebenskraft
Sex ist Leben.
Nicht nur im übertragenen Sinne des Zeugungsakts, sondern dass wir uns lebendig fühlen durch Sex. Wir können aus unserer Sexualität Energie, Kreativität und Schöpferkraft ziehen, die uns den Alltag versüßen und uns zu einem besseren Menschen macht.
Der ausgeschüttete Hormoncocktail (mit oder ohne Orgasmus) mit Endorphinen macht uns ganz ohne Drogen glücklich. Und wenn es eine einzige Antifaltencreme auf dem Markt gibt, die ihr Versprechen hält, ist das Sex.
Sex ist soziale Verbindung & Zuneigung
Das Hormon Oxytocin, welches beim Kuscheln und Orgasmus ausgeschüttet wird, ist als Bindungshormon bekannt. Wir fühlen uns dem Menschen zugeneigt, offen und verbunden.
Es ist der Kleister, der eine Beziehung zusammenhält und im größeren Sinne auch unsere Gesellschaft.
Wikipedia
Sex [...] bezeichnet die praktische Ausübung von Sexualität als Gesamtheit der Lebensäußerungen, Verhaltensweisen, Empfindungen und Interaktionen von Lebewesen in Bezug auf ihre Geschlechtlichkeit.
Wie definierst du Sex?
Was Sex ist, definierst du. Damit definierst du auch deine Grenzen (z.B. bei Partnern).
Herausforderung für dich
Lieber sagen...
Statt...
Das kommt dir die ersten Male komisch vor. Aber es schärft deine Wahrnehmung, was du wirklich willst und dein Partner kann dir deine Wünsche erfüllen. (Für diejenigen die der romantischen Auffassung sind, dass der Partner doch wissen müsse was einem gefällt: NEIN.)